Die Aufzucht von verwaisten Igelsäuglingen ist Laien ohne Anleitung nicht möglich!

Der Kernpunkt bei der Aufzucht verwaister Säugetiere ist die richtige Ernährung. Bei der Wahl einer Ersatz-Muttermilch sollte man sich an der Zusammensetzung der natürlichen Muttermilch orientieren. Kuhmilch (auch verdünnt) und alle Menschenbabynahrung (auch Heilnahrung) sind für Igelbabys völlig ungeeignet!

Igel werden in Deutschland zu 80 % in den Monaten August und September geboren. In wärmeren Regionen wie dem Rheintal und dem Saarland, gibt es bereits früher Igelwürfe schon im Juni und Juli.

Mutterlose, bis zum Alter von etwa 14 Tagen noch blinde und taube Säuglinge, werden in diesen Wochen gefunden. Bis zum Alter von 6 Wochen werden die Kleinen von der Igelin gesäugt, sind also unselbstständige Babys, die ohne Mutter hilflos sind. Diese Igelchen müssen richtig aufgezogen werden, um zu überleben.

Die sog. „Herbstigel“ sind im allgemeinen keine Säuglinge, sondern bereits selbstständige Jungigel. Wie man diesen Igeln helfen kann und soll, ist unterIgel gefunden, was nun? beschrieben.

Igelsäuglinge brauchen ständig Wärme. Als Igelnest eignet sich ein kleiner Karton. Eine mit handwarmem Wasser gefüllte Wärmflasche (kein Heizkissen, Überhitzungsgefahr!) wird mit einem Handtuch umwickelt. Darauf setzt man die Igelchen und deckt sie mit einem weiteren Handtuch zu. Nach jeder Fütterung den Inhalt der Wärmeflasche wechseln!

Zur Unterscheidung werden Igelbabys mit einem kleinen Tupfen ungiftiger Acrylfarbe (auch Tipp-Ex oder Nagellack) an jeweils verschiedenen Stellen des Stachelkleides markiert. Jeder Igel wird möglichst auf einer Briefwaage (oder einer Küchenwaage, die gramm-genau anzeigt) – täglich zur gleichen Zeit – gewogen und sein Gewicht auf einer Liste notiert.

Um die Entwicklung der Babys richtig zu beurteilen, muss man ihr Alter einschätzen können. Die wichtigsten Anhaltspunkte gibt das Aussehen der Igelchen. Die richtige Pflege zeigt sich natürlich auch an der Gewichtszunahme der Kleinen.

Alter Hautfarbe Stacheln Fell Augen Ohren Zähne Gewicht (g)
Geburt rosa weiß ohne geschlossen keine 12 – 25
1 Woche rosa einzelne dunkle ohne geschlossen keine 30 – 50
2 Wochen grau dunkel etwas Flaum öffnen sich keine 60 – 80
3 Wochen grau dunkel vorhanden offen stoßen durch 100 – 130
4 Wochen grau dunkel dicht offen vollzählig 140 – 180

© Monika Neumeier

Flöhe, Zecken, Fliegeneier und -maden sammelt man mit der Pinzette sorgfältig ab. Auf keinen Fall dürfen Insektizide angewendet oder die Babys gebadet werden.

Schon zur Fütterung kleinster Igel verwendet man 2 ml-Einmalspritzen (natürlich ohne Nadel!), auf deren Konus man ein kleines Stückchen Fahrrad-Ventilschlauch als Ersatzzitze stülpen kann. Pipetten und Puppenmilchflaschen sind ungeeignet! Zur Fütterung wird das Baby auf dem Rücken in die linke Hand (von Rechtshändern!) gelegt und mit dem Daumen festgehalten. Tritt es mit den Vorderfüßchen gegen diesen, handelt es sich um den sogenannten Milchtritt, der sich normalerweise gegen das Gesäuge der Igelmutter richtet und deren Milchfluss anregt.

Menschenbaby-Nahrung oder -Ersatzmilch, Kuhmilch, Grießbrei, Reis-, Haferschleim o. ä., sowie Zugaben von Honig oder Traubenzucker und Multivitamintropfen sind für Igelbabys absolut untauglich!

Zur Aufzucht gut bewährt hat sich das Präparat Esbilac ® (Fa. Albrecht, D-88326 Aulendorf), das nur über Tierärzte erhältlich ist. Man rührt einen Teelöffel Esbilac mit zwei Teelöffeln ungesüßtem Fencheltee an und gibt täglich einmal einen kleinen Tropfen Vitamin-B-Komplex (für alle Igelchen eines Wurfs) dazu. Ist Esbilac nicht sofort zur Hand, versorgt man wenige Tage alte Säuglinge – möglichst nicht länger als einen Tag – nur mit ungesüßtem, lauwarmem Fencheltee. Flüssigkeit ist zunächst wichtiger als Nahrung!

Die Futtermenge sollte pro Tag, über 24 Stunden verteilt ca. ein Viertel des Körpergewichts betragen. Bis sich Augen und Ohren geöffnet haben, verabreicht man den Igelchen tagsüber acht und nachts zwei Mahlzeiten. Schrittweise wird die Anzahl der Mahlzeiten reduziert, die jeweilige Nahrungsmenge erhöht. Säuglinge mit einem Gewicht von etwa 100 g erhalten nur noch 5 Mahlzeiten. Die tägliche Gewichtszunahme liegt bis zu einem Körpergewicht von 90 g bei 4 bis 7g pro Tag, danach bis zu 10 g pro Tag und mehr.

Das ist das Gegenteil vom Füttern. Igelsäuglinge können noch nicht spontan Kot und Urin abgeben; die Igelmutter beleckt zur Anregung Bäuchlein und Geschlechtsteile. Nach jeder Mahlzeit muss der Pfleger mit dem angefeuchteten Finger oder Wattestäbchen solange massieren, bis sich Erfolg einstellt. Babykot besteht aus grünen, aneinanderklebenden Knöllchen.

Wenn die Milchzähne durchstoßen – ungefähr am 19. Lebenstag, bietet man den Igelsäuglingen zusätzlich die Ersatzmilch z.B. im Deckel eines Einmachglases an. Nach und nach mischt man unter die Milch immer mehr zerkleinertes Rührei, Tatar (sehr fein gemahlenes, sehnenfreies Rinderhack) oder Katzendosenfutter, um sie an die Erwachsenennahrung zu gewöhnen. Die Ersatzmilch wird nun immer mehr verdünnt, die Menge der „Feststoffe“ gesteigert. Im Alter von etwa 30 Tagen müsste die Umstellung auf die – wenn auch noch stärker zerkleinerte – Erwachsenenkost vollzogen sein, die Jungigel bekommen nur noch Wasser zum Trinken.

Weitere Aufzucht: Fressen die Igelchen selbst, kann es bei großen Würfen bereits jetzt nötig sein, die Tiere in kleinere Gruppen mit ähnlichem Körpergewicht aufzuteilen. Stellen Sie immer mehrere Futterteller bereit! Im Alter von etwa 5 Wochen bzw. mit einem Körpergewicht von 250 – 300 g sollen auch Wurfgeschwister getrennt und einzeln untergebracht werden.

Mit einem Gewicht von 220 bis 250g (bei fortgeschrittener Jahreszeit mit höherem Gewicht – z.B. bis zu 350 g Ende September) setzt man die Jungtiere in ein nicht zu kleines Freigehege. Sie müssen lernen, natürliche Nahrung aufzuspüren und die Beute zu überwältigen. Nach etwa zwei Wochen kann man das Gehege öffnen. Mehr zum Thema können Sie unter Auswilderung nachlesen.

Wenn Sie Igelsäuglinge oder eine Igelmutter mit ihren Jungen beobachten, verwaiste Igelbabys finden oder solche mit oder ohne Mutter in Ihre Igelstation eingeliefert werden: Unterstützen Sie die Igelforschung und füllen Sie unseren Online-Wurf-Fragebogen aus!